Stuttgarter Zeitung: Framing par excellence

Neulich brachte die Stuttgarter Zeitung einen Bericht über die Entwicklung des Radverkehrs. Der Inhalt des Artikels kurz zusammengefasst: Dort, wo der Radverkehr ausgebaut wird, steigen die Radfahrerzahlen. Insgesamt steigt der Radverkehr an allen Messstellen, abgesehen von einigen Ausnahmen, die zum Teil technisch erklärbar sind. Laut einer SSB Umfrage ist der relative Anteil des Radverkehrs seit 2017 leicht gefallen – über die absoluten Zahlen schweigt man sich jedoch aus. Es kann also sein, dass die Zahlen trotzdem gestiegen sind. Die Steigerungsraten entsprechen jedoch nicht dem Ziel von 25% Radverkehr bis 2030. (hier der Artikel)

Unter dem Strich ein in etwa ausgeglichener Artikel mit der Grundaussage, dass der Radverkehr insgesamt zunimmt. So, wie lautet nun die Überschrift des Artikels?

„Nicht überall steigen die Radfahrer-Zahlen“

Jemand, der nur den Titel überfliegt, bekommt den Eindruck, dass der Radverkehr mehr oder weniger auf der Stelle tritt. Nicht-Radinteressierte sehen sich bestätigt und verzichten auf eine Lektüre des Artikels. Erst bei genauerem Hinsehen offenbart sich der Widerspruch zum Inhalt. Des Weiteren erkennt man sofort die Schlüsselwörter „Radfahren“ und „Nicht“, was automatisch eine negative Assoziation mit dem Radverkehr erzeugt. Warum haben die Autoren des Artikels diese Überschrift gewählt? Warum?

Dieses Vorgehen heißt auf neudeutsch „Framing“. Das heißt, man erstellt Bilder, Fotos oder in diesem Fall Texte und Überschriften aus einem gewissen Blickwinkel, sodass der Inhalt verzerrt oder scheinbar anders wiedergegeben wird. Die Empfänger der Botschaft sollten den Inhalt nicht so wahrnehmen, wie er sachlich korrekt wäre, sondern manipuliert im Sinne der Autoren .

Man fragt sich nun, warum dieses Framing? Entweder die Autoren wollen aus eigenem Antrieb den Zuwachs des Radverkehrs herunterspielen, oder sie haben einen offiziellen bzw. nicht offiziellen Auftrag, gegen die Verkehrswende anzuschreiben. Oder sie wissen um ihre konservativen Vorgesetzten und wollen sich eben dort bliebt machen (ich kenne dafür das Wort „Einschleimen“). Da es sich um einen längeren Artikel handelt, ist zu vermuten, dass der Titel sorgsam ausgewählt wurde. Es war also volle Absicht.

Um das Rätsel aufzulösen, habe ich einen der Autoren angeschrieben und um eine Stellungnahme gebeten.

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