ADFC Fahrradklimatest – Böblingen bewegt sich nicht

Die Ergebnisse des Fahrradklimatests 2024 liegen frisch auf dem Tisch. Kurz zusammengefasst: es hat sich nichts getan. 3,7 wie vor 2 Jahren und 3,6 vor 4 Jahren. Also alles beim Alten. Für Analytiker hier das Detailergebnis für Böblingen.

Die ADFC Bewertung enthält ein Kapitel „Bewertung im Zeitverlauf“, wo die einzelnen Kategorien seit 2012 zeitlich dargestellt werden. Das ist eine sehr interessante Information. Verglichen mit vor 2 Jahren gab es genau zwei Veränderungen:

  • Fahrradförderung von 2,9 verschlechtert auf 3,1
  • Fahrradmitnahme im öffentlich Verkehr von 4,0 verbessert auf 3,8
Erkenntnisse

Unsere Wahrnehmung täuscht uns also nicht. Man kann subjektiv und objektiv davon ausgehen, dass Böblingen im Wesentlichen auf der Stelle tritt. Die schlechteste Kategorie Böblingens ist – voilà – Führung an Baustellen. Überrascht? Wohl kaum.

Hier ein Beispiel: Fast bei jeder Großbaustelle eskaliert die Diskussion der Radfahrer vor allem mit dem Ordnungsamt. Vor zwei Jahren war es die Brücke über die Autobahn, kürzlich die Umleitung beim Radschnellweg. Trotz unübersehbarer Zeitungsartikel sehen wir keine Besserung. Es scheint niemanden zu stören, wenn in schöner Regelmäßigkeit die Zustände auf Böblingens Radwegen angeprangert werden.

Ärger an der Baustelle Autobahnbrücke
Ursachenforschung

Einige von uns haben näheren Kontakt zu den wesentlichen „Playern“ bei den entsprechenden Ämtern. Auch aus den Erfahrungen in der Rad AG kann man Einiges schlussfolgern.

Nun ist es nicht so, dass die Entscheidungsträger böse Menschen sind und den Radverkehr per se ablehnen oder uns absichtlich Knüppel zwischen die Beine werfen. Jegliche Verbesserungswünsche, die struktureller Natur sind oder den Autoverkehr beeinflussen würden, werden trotzdem abgelehnt oder dauern Jahrzehnte. Warum also verhalten sie sich so?

Die Antwort ist ganz einfach, ja geradezu banal: Es bringt ihnen nichts.

Unterstützung für den Radverkehr heißt Risiko eingehen, ausgetretene Pfade verlassen, sich auf unsicherem Terrain bewegen. In vielen Fällen wird Risiko nicht honoriert, eher das Gegenteil. Das sicherste ist, sich so zu verhalten wie in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten.

Der Blick nach oben

Perspektivwechsel: Wie sind wir in unserem Arbeitsleben? Angenommen, mein Chef legt Wert auf den Erfolg des Projekts A. Daneben gibt es noch Projekt B und C, die ich persönlich lieber mag. Auf was fokussiere ich mich? Natürlich auf A. Falls noch etwas Zeit übrig bleibt, beschäftige ich mich mit B oder C, aber Projekt A muss erfolgreich fertiggestellt werden. Alles andere wäre irgendetwas zwischen bekloppt und bescheuert.

Nichts anderes tun die Mitarbeiter von Ordnungsamt, Tiefbauamt oder sonstigen Ämtern. Sie fokussieren sich auf das, was von oben gewünscht wird. Man kann ihnen gar keinen Vorwurf machen, dass der Radverkehr nur die zweite Geige spielt. Radverkehr hat keine Priorität, AG Rad hin oder her. Fertig, aus.

Manchmal können einem die Angestellten der Stadt leid tun, wie sie bei der AG Rad den Druck und die Kritik der Radlerschaft aushalten müssen. Aber das ist immer noch das kleinere Übel. Die AG Rad ist nach maximal 2h vorbei. Danach ist alles wichtig, außer Radverkehr. So sind die Vorgaben von oben.

Indizien, warum der Ausbau des Radverkehrs nicht erwünscht ist

Will man den Radverkehr ernsthaft fördern, muss nicht nicht nur Ziele postulieren, sondern auch entsprechende Strukturen schaffen. Mitarbeiter, die am Erfolg gemessen werden, müssen natürlich die Möglichkeit haben, kraft ihrer Stellung die Ziele erfolgreich umzusetzen.

Wir haben seit ca. 1 1/2 Jahren eine engagierte Radverkehrsbeauftragte. Frau Vorholzer ist bei der Planung und Umsetzung auf die Mitarbeit mehrerer Ämter angewiesen, ihre Entscheidungsgewalt ist begrenzt. Deswegen können Radprojekte auch nur schleppend umgesetzt werden. Es wurde also der Posten eines Radverkehrsbeauftragten geschaffen, aber die Strukturen wurden nicht so ausgelegt, dass der Radverkehr schnell davon profitiert. Das ist fast schon ein Alibi: „Was wollt ihr denn? Wir haben doch eine Radverkehrsbeauftragte“. Ja, wir haben eine Radverkehrsbeauftragte, die aber aufgrund ihrer Stellung in der Hierarchie nur wenig bewirken kann. Daraus kann man nur eins folgern: Den schnellen und konsequenten Ausbau des Radverkehrs will niemand.

Was muss passieren?

Was ich oben angedeutet habe, sage ich jetzt explizit: Solange Baubürgermeisterin Kraayvanger und Oberbürgermeister Belz nicht Erfolge bei der Verbesserung des Radverkehrs einfordern und hier und da mal ein Risiko eingehen, wird nichts passieren. Für die Verbesserungen an Baustellen, zum Beispiel, braucht man keinen Gemeinderat. Gleichzeitig muss die Organisation strukturell angepasst werden, wie oben erwähnt. Was wir uns wünschen:

  • Gute Organisation des Radverkehrs bei Baustellen
  • Wo möglich, schnelle Schaffung durchgehender Radwege, zum Beispiel Tübinger Straße
  • Durchgehende Markierung von Wegen für Radfahrer, auch wenn der Radweg unterbrochen ist. Radlerinnen und Radler sollten ohne Rätselraten durch Böblingen kommen.
  • Konsequente Ahndung von Parkern auf Radwegen
  • Aktive Werbung für den Radverkehr, mehr Zusammenarbeit z.B. mit ADFC oder Radeln in BB
  • Präsenz in den sozialen Medien
  • Stärkung der Befugnis und Verantwortung der Radverkehrsbeauftragten

Verbunden damit die Ziele:

  • Keine Zeitungsartikel oder böse Leserbriefe über mangelhafte Baustellen
  • Verbesserung beim ADFC Fahrradklimatest 2026 um mindestens 0,4 Punkte.

Das sieht alles machbar aus, man muss nur wollen. Andere Gemeinden schaffen das doch auch.

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